In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Dienstag, 21. Januar 2014

Von den Eltern im Stich gelassen: Kinder in der Schule.


Diesen Post habe ich heute wieder entdeckt, weil ihn jemand angeklickt hat. Ich hatte ihn vor Jahren auf der EthikPost geschrieben, doch er gilt nach wie vor und heute, nachdem ich viel mehr noch als damals wahrnehme, inwiefern eine Familienaufstellung Einfluss nimmt auf die Entwicklung von Kindern, ist mir der Beitrag fast noch wichtiger als damals.

Was mir heute noch bewusster ist: Manche Kinder haben Eltern, in Wirklichkeit haben sie - ganz hart formuliert - keine.

Das ist wie mit den Schlägen:
Wenn ein Kind geschlagen wird, handgreiflich, weiß es: Ich bin geschlagen worden und es weiß auch: Ich muss das aufarbeiten, wenn ich gesunden will.

Es gibt aber auch Kinder, die nicht physisch geschlagen worden sind, sondern seelisch - und das nicht einmal wahrnehmen. Diese geschlagenen Seiten igeln sich ja ein, ziehen sich zurück, gehören zur Seele wie die Untiefen eines Sees, aus denen es kalt nach oben gluckst. Sie gehören zum See, zur Seele. Manchen Schwimmer kosten jedes Jahr allüberall diese kalten Stellen das Leben ...


Mancher See spiegelt unsere Seelen wieder.


Man nimmt sie hin, die Schläge, die fehlenden Eltern; sie sind normal.


Was für eine unmenschliche Norm!


Hier der Original-Post:


Es liegt nun einige Jahre zurück, doch ich schildere das Geschehen, als ob es dieses Jahr wäre, denn es geschieht im Grunde jedes Jahr:

Konkret handelt es sich um ein Mädchen, das ich im zweiten Jahr unterrichte, davon ein Jahr als Klassenlehrer. Dieses Jahr wird sie sitzenbleiben wie schon vor zwei Jahren; deshalb muss sie die Schule verlassen.

Trotz Bitte und Aufforderung zum Gespräch:
Die Mutter habe ich noch nie gesehen.
Den Vater habe ich noch nie gesehen.
Dieses Mädchen tut mir unendlich Leid.
Es hat keine Eltern.
Die junge Dame meint - sie ist ja schon älter -, dass es nicht notwendig sei, dass ihre Eltern in die Schule kämen; sie seien über alles informiert.

Um was es jedoch geht: Um die Leere in ihrem Rücken.
Wenn man genau hinschaut: in ihren Augen.
Sie ist ohne Rück-Halt.
Dieses Mädchen hat niemand, der sie hält. In dieser so schweren Situation und schon vorher hätte sich die Familie um sie kümmern, sie unterstützen müssen. Wenn sie es auch nicht wahrhaben will: Sie steht allein.
Und ihre Seele weiß das, wenn sie auch ganz anders spricht und wenn ihre Eltern noch so neunmal klug daherreden und begründen würden, warum sie nie in der Schule waren.

So wie sie gibt es Tausende. Zehntausende.

Vielleicht hat sie sehr aufgeschlossene, sehr moderne Eltern. Es wäre nicht das erste Mal, dass manche Erwachsene sehr bewusst und aufgeschlossen wirken und um Fundamentales nicht wissen, wissen, worin sich ihr Verantwortungsbewusstsein zeigt:

Für ihr Kind nimmt sich der Vater frei, die Mutter nimmt sich frei und beide zusammen gehen zu dem Klassenlehrer. Und das nicht nur zu Beginn der Schullaufbahn. Aber da natürlich ganz besonders!

Es ist wichtig, dass bei diesem Treffen mit dem Klassenlehrer die mütterliche Energie präsent ist, es ist wichtig, dass die väterliche Energie präsent ist. Das wirkt auf den Lehrer.
Er hat dann ein ganz anderes Bewusstsein von Verantwortung gegenüber dem Kind.

Vielleicht sieht er aufgrund des Gespräches, warum das Kind Schwierigkeiten hat. Er sieht ja, wie Vater und Mutter miteinander umgehen und wie jeder jeweils über das Kind spricht, welchen Part wer übernimmt ...
Dazu vielleicht ein andermal ein Beispiel.

Vor allem aber weiß das Kind: Meine Eltern kümmern sich um mich. Wo es wichtig ist, sind sie beide zur Stelle; ich bin auch in der Schule nicht allein.
Es mag zu Hause ganz anders sprechen und womöglich "toben", dass beide Eltern in die Schule gehen, die Eltern von xy und wz machen das schließlich auch nicht. Aber:
In Wahrheit freut sich die Seele des Kindes, sie weiß:
Ich bin meinen Eltern das wert. Ich bin nicht verlassen, ich kann mich auf sie verlassen; sie nehmen mich ernst.

Und das spürt auch der Lehrer. Für jedes Kind hat das positive Auswirkungen.

Zu den Alleinerziehenden, seien es Mütter oder Väter, und ihrer Situation ein andermal mehr; einfach haben sie es gewiss nicht.

Jedenfalls: Am Schuljahresende tut mir das Herz weh, um die ach so behüteten, in Wahrheit verlassenen Kinder und Jugendlichen. Hier wiederholt sich, was die Märchen thematisieren: Es gibt keinen König und keine Königin oder nur einen Teil, und der ist krank. Nun muss das Kind allein auf die Reise, die Lebensreise.


Nicht, dass ich Eltern einen Vorwurf mache. Sie wiederholen nur die eigenen Erfahrungen ihrer Kindheit.
Notwendig aber ist es trotzdem nicht.

Es gibt zu viele auf diese Weise verlassene Kinder auf dieser Welt.