In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Donnerstag, 15. August 2013

Einfach Kind-Sein!

Auf einer Bild-Tafel des Franziskus-Weges in der Rhön nahe der Thüringer Hütte

Mittwoch, 14. August 2013

Das Ende der Mutter-Sucht: Wie du bist, so bist du recht ... Die Dame Aiuóla nimmt uns an; sie ist ein Teil von uns.


Es gibt zahlreiche Märchen, die von der inneren Mutter erzählen, die einen wesentlichen Teil unserer Seele ausmacht. 
Und diese Mutter hat viele Facetten. 
Sibylle Birkhäuser-Oeri hat in ihrem posthum von ihrer Freundin Marie-Louise von Franz zur Veröffentlichung aufbereiteten Manuskript - erschienen als Die Mutter im Märchen - einige ansgesprochen: 
Da finden wir u.a. die Todesmutter, die Feuermutter, die lebensschenkende Naturmutter ... all diese Mütter, die dunklen wie die hellen, sind Seiten EINER Großen Mutter.Eine der bekannntesten Ausgestaltungen ist Frau Holle.
In uns gibt es diese vielen Facetten der Mutter wie auch diese EINE, die Goethe meint, wenn er am Ende von Faust II vom Ewig-Weiblichen spricht, das uns hinanzieht, die Homer besingtwenn er die Mutter als Allmutter Erde anspricht, und deren auch in vielen, den meisten indianischen Kulturen gedacht wird.
Die Griechen nannten sie Gaia, eben Allmutter Erde.
Sie ist die göttliche Mutter. Der weibliche Teil der Gottheit.
Jenen Teil, den uns die christlichen Kirchen verschwiegen haben.
Vater, Sohn und Heiliger Geist, so heißt es im Apostolischen Glaubensbekenntnis.
Nur Männer, keine Frau. 
So ist das in der Kirche.

Wir können diese göttliche Mutter nicht erfassen. Wir Menschen tun das ja gern, etwas zu erfassen und dann kräftig festzuhalten, unter Kontrolle zu bringen, damit die liebe Seele Ruhe hat.

Aber genau das ist der Punkt: diese Mutter schenkt zwar Ruhe und Frieden, denn sie will uns an ihrer Brust stillen, damit wir Stille lernen, aber sie beunruhigt uns auch in gewisser Weise, weil sie ständig im Wandel ist wie die Erde, die Natur.

Wer sie immer mehr verstehen lernen will, muss sich von ihr beunruhigen und stillen zugleich lassen.

Haben wir keine Verbindung zu ihr, treiben wir durch den Raum ... immer auf der Suche, unterwegs in Sachen Mutter-Sucht. Bevorzugt tun das jene Männer, die ständig unterwegs in Sachen Liebesabenteuer sind. Ohne es zu wissen, suchen sie in jeder Frau die Mutter, weil sie sich auf krankhafte Weise nie von ihr lösen konnten, oft, weil es die Mutter auf gerissene Weise verhindert hat, immer wieder - und sie tut es oft noch, auch wenn sie nicht mehr lebt.

Von dieser Mutter muss sich jeder Mann lösen. Das
 Grimm-Märchen Eisenhans berichtet davon.

Von der geistigen Mutter allerdings hätten wir uns nie lösen sollen. Die gute Mutter in den Märchen, die gute Königin, wie auch immer sie gestaltet worden ist, stirbt zumeist. So wie im Übrigen auch oft der Vater.

Jeder Mensch, ob Mann, ob Frau, muss sich vergewissern, ob er in Verbindung mit dieser Mutter steht. In einer liebenden.

Eine solche liebende Verbindung ist keine, die auf Unterwerfung basiert. Mit einer Mutter setzt man sich durchaus immer mal wieder auch auseinander.

Oft aber ist sie noch so tot in uns Menschen wie Schneewittchen.
Dann gilt es, sie zu wecken.

Eigentlich keine Überraschung, dass diese Thematik auch in Michael Endes Unendlicher Geschichte auf dem Weg Bastians zur Heilung des Inneren der Menschen, sprich in der Geschichte also der kindlichen Kaiserin, eine bedeutende Rolle spielt, wenn auch auf durchaus ungewöhnliche Weise.

Die innere Mutter, die Bastian trifft, ist die Dame Aiuóla.

Das Ganze ist absolut goldig geschrieben:


Schließlich gelangte er in eine schnurgerade Allee aus kugelrunden Bäumen, die voller rotbackiger Äpfel hingen. Und ganz am Ende der Allee tauchte ein Haus auf. Beim Näherkommen stellte Bastian fest, dass es wohl das drolligste Haus war, das er je gesehen hatte. Ein hohes spitzes Dach saß wie eine Zipfelmütze auf einem Gebäude, das eher einem Riesenkürbis glich, denn es war kugelig, und die Wände hatten an vielen Stellen Beulen und Ausbuchtungen, sozusagen dicke Bäuche, was dem Haus ein behäbiges und gemütliches Aussehen verlieh.

Da deutet sich schon an, welchen Mutter-Aspekt Michael Ende ausgewählt hat. Die Dame Aiuóla wohnt nämlich im Änderhaus, einem Haus, das sich ständig ändert, verschwindet auf der einen Seite ein Fenster, wächst auf ener anderen ein Erker aus dem Haus ...

Die Frau begrüßt Bastian mit einem Lied, das schon deutlich werden lässt, was eine wirkliche Mutter ausmacht, jedenfalls jene innere Mutter, auf die wir uns beziehen:


Alles, was du suchst und willst, 
auch Geborgenheit, 
Trost nach allem Leid. 
Ob du gut warst oder schlecht, 
wie du bist, so bist du recht,  
denn dein Weg war weit.«

Wie Du bist, so bist Du recht.
Wie schön, wenn das jemand zu uns sagt und uns so annimmt, wie wir sind.

Die wirkliche Mutter tut das!

Die Stimme begann von neuem zu singen: 


Großer Herr, sei wieder klein! 
Sei ein Kind und komm herein! 
Steh nicht länger vor der Tür, 
denn du bist willkommen hier! 
Alles ist für dich bereit 
schon seit langer Zeit.

Die Stimme übte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Bastian aus. Er war sicher, dass es eine sehr freundliche Person war, die da sang.
Er klopfte also an die Tür, und die Stimme rief:
»Herein! Herein, mein schöner Bub!«
Er öffnete die Tür und sah eine gemütliche, nicht sehr große Stube, durch deren Fenster die Sonne hereinschien. In der Mitte stand ein runder Tisch, gedeckt mit allerlei Schalen und Körben voll bunter Früchte, die Bastian nicht kannte. Am Tisch saß eine Frau, die selbst ein wenig aussah wie ein Apfel, so rotbackig und rund, so gesund und appetitlich.
Im allerersten Augenblick war Bastian fast überwältigt von dem Wunsch, mit ausgebreiteten Armen auf sie zuzulaufen und »Mama! Mama!« zu rufen. Aber er beherrschte sich. Seine Mama war tot und ganz gewiss nicht hier in Phantásien. Diese Frau hatte zwar dasselbe liebe Lächeln und dieselbe Vertrauen erweckende Art, einen anzusehen, aber die Ähnlichkeit war höchstens die einer Schwester. Seine Mutter war klein gewesen und diese Frau hier war groß und irgendwie imposant. Sie trug einen breiten Hut, der über und über voller Blumen und Früchte war, und auch ihr Kleid war aus einem farbenprächtigen, geblümten Stoff. Erst nachdem er es eine Weile betrachtet hatte, bemerkte er, dass es in Wirklichkeit ebenfalls aus Blättern, Blüten und Früchten war.
Während er so stand und sie ansah, überkam ihn ein Gefühl, wie er es schon lange, lange nicht mehr gekannt hatte. Er konnte sich nicht erinnern, wann und wo, er wusste nur, dass er sich manchmal so gefühlt hatte, als er noch klein war.
»Setz dich doch, mein schöner Bub!«, sagte die Frau und wies mit einer einladenden Handbewegung auf einen Stuhl. »Du wirst sicher hungrig sein, also iss erst einmal!«
»Entschuldigung«, antwortete Bastian, »du erwartest doch einen Gast. Aber ich bin nur ganz zufällig hier.«
»Tatsächlich?«, fragte die Frau und schmunzelte.



Bastian mag lange meinen, er sei zufällig hier und die Ähnlichkeit sei höchstens die einer Schwester. Nein, er hat zu der Mutter gefunden, die unser aller Mutter ist, die sich ständig ändert wie die Jahreszeiten, die Fruchtbarkeit symbolisiert und Werden und Vergehen, zu sehen an ihrem Haus. 
Wenn wir zu dieser Mutter finden, gibt es nur eins: Wohlsein!

Es gibt Bücher, die nehmen einen an die Hand und zeigen einem den Weg, schaffen Bilder, die unsere Seele heilen und ihr den Weg weisen, ja, die selbst der Weg sein können, denn unser Inneres vertraut diesen Bildern.

Michael Ende war ein weiser Weißer Magier.
Seine Bilder helfen uns. 
Ja, seine Unendliche Geschichte hat eine heilende Wirkung!