In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Freitag, 8. März 2013

Wenn Kleinkinder lernen, sich um ihre Eltern zu kümmern. – Über gestörte Familienordnungen.


Das Thema, das Hans Jellouschek zu Beginn seines Buches Wie Partnerschaft gelingt – Spielregeln der Liebe anspricht, ist eines, das unserer Gesellschaft auf den Nägeln brennt und das mich immer wieder beschäftigt hat und es noch immer tut, weil ich seine Auswirkungen auch in der Schule im Unglücklichsein zu vieler Kinder widergespiegelt sehe.

Es geht um Ordnungen der Liebe, wie Jellouschek in Anlehnung an Bert Hellingers Buch Ordnungen der Liebe (nicht kaufen, es gibt zum Thema Familienaufstellungen mittlerweile leseleichtere) formuliert.

Familien brauchen eine Ordnung und Liebe braucht eine Ordnung, auch wenn wir mehr als gern zulassen, dass sie auch in der Lage sein darf, alle Regeln zu sprengen.

Der Kosmos der Liebe braucht Ordnung. Nicht von ungefähr lautet ja die Übersetzung des griechischen Wortes Kosmos >Ordnung<; und dann bedeutet es noch >Glanz<

Ordnung, so sehr manche daran zweifeln mögen, bringt Glanz mit sich.

Wie sich Unordnung in Familien einschleicht, vermittelt Jellouschek mit Hilfe der Inhaltsschilderung eines Videos, das er auf einem Therapie-Kongress sah:


Man konnte beobachten, wie eine Dreiergruppe, (..) bestehend aus Mutter, Vater und Kleinkind, miteinander umging. Die Mutter spielte gerade intensiv mit dem Kind. Dann wurde es ihr offensichtlich zu anstrengend oder langweilig. Sie wollte an den Vater abgeben, aber der hielt sich raus. Er merkte gar nicht, daß es jetzt an ihm gewesen wäre, „zu übernehmen". Nach weiteren vergeblichen Versuchen lehnte sich die Mutter mit einem tiefen Seufzer zurück. Und was machte das Baby? Zuerst war es irritiert, dann wollte es selbst mit dem Vater „anbändeln" und diesen „ranholen". Als der aber weiterhin nicht reagierte, schaute es zur Mutter hin und seufzte ebenfalls tief, so als wollte es sagen: „Gell, du bist jetzt müde, du Arme!" Das kleine Kind hatte in dieser Familie also bereits gelernt, sich um die Mutter zu kümmern, wenn es ihr nicht gut ging und der Vater nicht aktiv wurde. Eigentlich wäre das ja seine Aufgabe gewesen. Aber weil er nicht reagierte, sprang das Kind für ihn ein. Was hier „lief, machte die Forscherin mit einem provokanten Dia deutlich: Auf einer Foto-Kollage war eine Riesen-Baby zu sehen, das eine baby-kleine Mutter auf seinem Arm trug!

Jellouschek folgert darauf:

Kinder brauchen Zugang zu beiden Eltern. In unserem Beispiel macht sich der Vater für das Kind nicht erreichbar. Er bleibt „draußen". Wenn das nicht nur ab und zu einmal der Fall ist, sondern immer wieder, hat das mehrere schwierige Folgen: erstens ist das Kind immer nur auf die Mutter angewiesen. Dadurch entsteht eine zu enge Bindung zu ihr. Zweitens wird der Vater auf diese Weise allmählich aus dem Familienverband emotional ausgeschlossen, oder er schließt sich, wie in unserem Beispiel, selbst aus. Er bringt vielleicht noch das Geld nach Hause, tritt vielleicht noch als Belohner und Bestrafer in Erscheinung, aber sonst ist er „out". Kinder mit „zu viel Mutter" und „zu wenig Vater" zeigen typische Entwicklungsstörungen und kommen später einmal nicht gut zurecht. Darunter leidet aber drittens auch die Paarbeziehung: Die Mutter fühlt sich alleingelassen, und den Vater erlebt sie in bezug auf die Kinder als inkompetent. Der Vater wiederum fühlt sich abgewertet und unwichtig. Alles, was die Kinder angeht, läuft über seine Frau. Schließlich - viertens -fangen in solchen Fällen Kinder schon sehr früh mit dem an, was auf dem Video überdeutlich zu sehen war: Sie kümmern sich um die Bedürftigkeit der Mutter, werden also gleichsam zu „Müttern" oder Partnern der Mutter, was sie natürlich überfordert und sich darum auf ihre weitere Entwicklung ebenfalls negativ auswirkt.

Die hier besprochene Störung der „Ordnung" in Familien tritt besonders häufig auf, wenn sich die Männer total von ihrer Berufsarbeit auffressen lassen und die Frauen zu sehr auf die Familie als ihr einziges Kontaktfeld fixiert sind. Es braucht dann große Anstrengung, damit sich nicht das Muster „Frau mit den Kindern — Vater out" einspielt. Noch brisanter wird es, wenn Eheleute sich trennen und ein Elternteil, meist der Vater, außerhalb des Familienverbandes lebt. Dann ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, daß die Kinder regelmäßigen Kontakt zu ihm haben, sonst stellt sich dieses Muster fast unausweichlich ein.

Natürlich hat dieses Muster, dieses Geschehen auch Folgen für die Liebesbeziehung der Eltern.
Auch darauf geht der Autor ein. 
Ich tue es in einem folgenden Post. Was mich sehr bewegt, ist, wie hier klar wird, wie früh schon Kinder in ein bestimmtes Verhältnis zu ihren Eltern geraten können. Schrecklich, wenn ein Kind so früh aufgrund elterlicher Inkompetenz bzw. fehlenden Bewusstseins darauf getrimmt wird, Erwachsene, wohl oft dreißig Jahre älter, zu bemuttern.
Ein Muster, das das Kind an seine Kinder mit ziemlicher Sicherheit weitergibt.

Die Frage ist, inwieweit es in uns ist.


Wie die oben geschilderte Problematik überwinden, die tief in unserer Gesellschaft verwurzelt ist? 

Schiller hat in seinem Lied von der Glocke nicht geahnt, dass die Realität seiner Worte 200 Jahre später zum Problem moderner Gesellschaften werden könnte, weil sich die Menschen weiterentwickelt haben. In jener Ballade heißt es:

Der Mann muss hinaus
Ins feindliche Leben,
Muss wirken und streben
Und pflanzen und schaffen,
Erlisten, erraffen,
Muss wetten und wagen,
Das Glück zu erjagen.

Mit welcher Selbstverständlichkeit das Schiller geschrieben hat!
Übrigens kommt es in seinem Gedicht Würde der Frauen
noch dicker:

  Ewig aus der Wahrheit Schranken
  Schweift des Mannes wilde Kraft;
  Unstät treiben die Gedanken
  Auf dem Meer der Leidenschaft;
  Gierig greift er in die Ferne,
  Nimmer wird sein Herz gestillt;
  Rastlos durch entlegne Sterne
  Jagt er seines Traumes Bild.

Feindlich ist des Mannes Streben,
Mit zermalmender Gewalt
Geht der wilde durch das Leben,
Ohne Rast und Aufenthalt.
Was er schuf, zerstört er wieder,
Nimmer ruht der Wünsche Streit,
Nimmer, wie das Haupt der Hyder
Ewig fällt und sich erneut.


Eine Gesellschaft wird dem Mann nicht Pfeil und Bogen aus der Hand nehmen können. Das ist genetisch implimentiert. Wie sagte im Fernsehen ein Wissenschaftler sinngemäß, indem er auf entsprechende Untersuchungen verwies: Geben Sie einem kleinen Jungen Puppen, und er macht daraus Wurfgeschosse. Geben Sie einem kleinen Mädchen Bagger und es badet sie, wickelt sie.

Es gilt, kurz gefasst, Wege zu finden, wie in unserer Gesellschaft beide Geschlechter ihre genetischen Muster leben können, aber nicht auf Kosten des anderen Geschlechts, wie das in der Vergangenheit oft auf Kosten der Frauen geschehen ist.

Wenn man weder Mann noch Frau in Zwangsjacken steckt, gar aus dem Mann einen Softie und aus der Frau eine Hembrista machen will, können beide Muster, beide Geschlechter sich aufeinander zubewegen – mit und in Bewusstsein, weil sie sich die Freiheit zugestehen, sein zu dürfen wie sie sind, und wie sie gegebenenfalls sein wollen, um auch in einer Beziehung glücklich zu sein. 
Auf diesem Weg befindet sich unsere Gesellschaft. 
Betrachten wir die genetischen Muster nicht als Bürde. Sie entsprechen unterschiedlichen Seinsweisen, die es Gott sei Dank gibt, wäre es doch schrecklich, wenn es nur Männer oder nur Frauen gäbe. 
Beide Seinsweisen waren die Grundlage für unser heutiges Sein. Durch sie sind wir dahin gekommen, wo wir heute sind. Und das ist durchaus weit.
Immerhin machen wir uns über sie Gedanken, und nicht nur Gedanken: Wir probieren aus, gehen alte Trampelpfade und neue Wege. Wie wir wollen.

Nun gilt es, weitere wichtige Entwicklungsschritte zu machen, gerade auch deshalb, damit Kinder nicht mehr zu einem Verhalten, wie es oben beschrieben ist, zwangsverpflichtet werden.


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