In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Wenn sich Hände schneeleise auf Deine Augen legen: Michael Endes Gespür für den inneren Vater.

Wer den Beginn der Geschichte um Momo kennt, weiß, dass sie eines Tages in der Ruine des Amphitheaters vor der Stadt auftaucht. Die Leute erfahren von ihr und kommen und fragen sie aus, fragen auch nach ihren Eltern, ernten aber nur ein Schulterzucken und als sie fragen, wer ihr denn ihren Namen gegeben habe, antwortet Momo: Ich.
In den Mythen sind Helden oft Waisen oder zumindest Halbwaisen. Auch in den Märchen ist es ja oft so, dass der Vater krank wird, die Mutter stirbt ... auf einmal ist der Held allein.
So allein ist auch Momo.
Viele Menschen haben Vater und Mutter, in Wirklichkeit sind sie aber doch allein.
Das ist schlimm, schlimmer als Waise zu sein. Denn keinen Vater und Mutter zu haben, wenn man glaubt, man habe welche, kann ein Leben lang undurchschaubar sein. Zwei Hohlräume, die man für Vater und Mutter hält.
Jeder Mensch muss überprüfen, ob er Vater und Mutter hat.
Wenn sie fehlen, fehlt etwas in uns, was uns erwachsen werden lässt. 
Wenn sie fehlen, ist die Linie zu den Ahnen gestört. Und wie wichtig diese Linien sind, wissen wir spätestens seit Hellinger und seinen Familienaufstellungen. Wer im Rücken seine Ahnen hat, ist stark, wer sie nicht hat, läuft Gefahr, auf den Rücken zu fallen. Es macht einen tiefen Sinn, dass im Alten Testament immer wieder die Reihe der Ahnen aufgelistet werden. Früher hielt ich das für Papierverschwendung. Heute weiß ich, dass jeder Ahne eine Bedeutung hat. Es geht nicht darum, dass wir ihn in einem vordergründigen Sinn kennen, es geht darum, dass er eine Sprosse auf jener Leiter ist, auf der wir uns zum Himmel strecken.
Zudem ist die Gefahr riesig, dass eine Frau sich einen Mann sucht, der Vater für sie sein soll, und genauso besteht die Gefahr, dass ein Mann sich eine Frau sucht, die Mutter sein soll.
Nicht, dass diese Ehen unglücklich sein müssen, aber wirkliches Glück ist nur in einer symmetrischen Beziehung zu finden, nicht in einer zwischen Kind und Elternteil.
Momo findet in Meister Hora einen Vater:
Sie stürzte auf ihn zu, er nahm sie auf den Arm und sie verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. Wieder legten sich seine Hände schneeleise auf ihre Augen und es wurde dunkel und still und sie fühlte sich geborgen.
Dieses Gefühl der Geborgenheit und bedingungslosen Liebe, das braucht jeder Mensch. Auch der verlorene Sohn im biblischen Gleichnis hat es bei seiner Rückkehr erlebt, dieses bedingungslose Auf- und Angenommensein.
Wer dieses Gefühl nicht kennt, muss es nacharbeiten. Ich glaube, man kann das. Sonst fällt ein Mann immer wieder auf Vaterfiguren herein und fährt auf sie ab, ohne es zu merken. Und auch eine Frau sucht primär den Vater im Mann und nicht den ebenbürtigen Partner.
Sorgfältig bei einer möglichen Nacharbeit müssen wir unterscheiden, ob wir nur Ersatzfiguren gesucht und gefunden haben oder ein wirkliches Vorbild, das uns sagen lässt: Diese Energie erfüllt meine Seele. 
Ansonsten bleibt ewig eine Sehnsucht. 
Eben eine Sucht.
Sonst finden wir kein Vaterhaus.
Kein Mutterhaus.
Und können auch unseren Kindern keines geben.
Auch unseren inneren Kindern nicht.
Mehr zu Michael Endes Momo: hier

Freitag, 17. Dezember 2010

Narzissten und ihre innere Leere - es ist auch die Leere des inneren Erwachsenen und seiner inneren Kinder ....

In der Welt der Erwachsenen, gerade auch der Erwachsenen, die mit Erziehung zu tun haben, gibt es genug, die ausgesprochene Narzissten sind, das heißt, die alles, was sie tun, auf ein Ziel ausrichten: selbst Pfau zu sein.
Wie toll ist doch das Kind der ach so lieben Mutter, wie toll kann es Ballett tanzen, wie toll Klavier spielen, wie gut kann es ein Gedicht aufsagen und wie freundlich kann es säuseln.
Die Mutter ist ganz glücklich und freut sich über ihr Kind; sie tut ja auch alles für ihre Tochter, ihren Sohn.
Manchmal sieht es so in der Öffentlichkeit aus; zu Hause ist sie womöglich nicht mehr die liebe Mama, sondern kann recht barsch sein. Dann kann man schon mal eine verzweifelte Tochter erleben, die giftet, anstatt zu säuseln.
Oder, die andere Variante: Wehe, Sohn oder Tochter machen nicht das, was sie sich vorstellt, kein Ballett mehr, auf das sie so stolz war, kein Klavier mehr, das so begabt durchs Haus klang.
Dann auf einmal ist die Tochter nicht mehr die liebe; dann auf einmal kann es sein, dass sie sich Vorwürfe anhören muss, weil sie nicht tut, was die Mutter wollte, die doch nur ihr Bestes will. Aber das Beste ist immer das, was die Mama will, nicht die Tochter. Und es ist immer das, was letztendlich die Mutter in den Vordergrund schiebt, auszeichnet.
Oder der Lehrer: Was hat er nicht für eine tolle Klasse. Natürlich liegt es an ihm. Aber wehe, sie ist nicht toll, dann distanziert er sich so schnell von den Kindern, schneller geht´s nicht, dann sind sie unfähig und faul, gehören nicht aufs Gymnasium oder oder oder ...

Klar, das ist alles ein bisschen pauschalisiert und überzeichnet. Aber wahr ist: Es gibt Erwachsene, die wollen sich großtun in ihrem Kind, wollen in den Kindern ihr eigenes Verletztsein kaschieren. Indem die Kinder die eigene Eitelkeit stützen, muss man nicht wahrnehmen, dass es da keine innere Größe gibt, sondern eine innere Leere. Deshalb dürfen auch der liebe Sohn oder die liebe Tochter nicht aus dem Haus oder werden mit allen Mitteln daran gebunden ... ohne sie könnte man die eigene innere Leere wahrnehmen müssen ...
Solche Erziehenden sind ja keine schlechten Menschen, ja manchmal können sie sogar Kinder richtiggehend begeistern. Aber diese verstehen, wenn es mal nicht so läuft, wie sie selbst es geplant haben, können sie die Kinder in Wahrheit nicht. Dazu müssten sie sich erst selbst verstehen, ihre Schwächen, die vielen kleinen Geschwüre unter den Pfauenfedern akzeptieren oder das eine große: sich nicht lieben zu können.

Auch die eigenen inneren Kinder kann man missbrauchen. Wie kann mancher Erwachsene doch aufdrehen, herumalbern, seine inneren Kinder juchzen lassen. Die ganze Gesellschaft und ihre inneren Kinder kommen mit ihm auf Touren. Meine Güte ist er ein Gesellschafter, was haben er oder sie für Ideen, wie einfallsreich, nie wird es langweilig ...
Doch wenn er allein ist, dann vergraben sich seine inneren Kinder in den Schutthalden seiner Depression, dann bekommen sie nichts zu essen, bekommen keine Liebe.
Nie sind sie in Wahrheit geliebt worden.
Nie, so wie er oder sie als Kind auch nicht.
Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass sie vor anderen unglaublich aufgedreht sind, einfallsreich, lustig, bestens gelaunt, ja, auch mit großen Augen zuhörend, einfach wie ein Paradekind, wie Paradekinder nun einmal sind ...
Vor ihm oder ihr können die eigenen inneren Kinder jedoch kein Theater spielen. Fehlt das Publikum, dann lohnt keine Show. Dann ist man auf sich verwiesen. Dann ist auf einmal große Tristesse.
Dann ist auf einmal die Großartigkeit wie weggeblasen ... das Verliebtsein in die eigene Show, in die eigenen Seifenblasen.
Wenn solche Zustände länger dauern, wenn sie ernsthaft wahrgenommen werden, wenn der Erwachsene  akzeptiert, dass etwas ganz Entscheidendes nicht stimmt:

Dann kann es sein, dass solche Erwachsenen die Bettdecke nehmen und sie knautschen sie so zusammen, dass sie Gestalt annimmt, und sie weinen in diese Decke.
Oder sie nehmen einen Teddy, den sie noch von früher haben, und sie geben ihm mit ihren Tränen die Liebe, die sie nie bekommen haben. Oder sie weinen still vor sich hin ...

Hinter und in all diesen Narzissten steht und findet sich eine große Leere, ein tiefer Schmerz, den ihre Kinder vertuschen sollen ...
... arme Erwachsene ...
... arme Kinder ...

Da hilft nur eines, wenn man Änderung möchte: sich nicht auf der Wasseroberfläche bespiegeln, sondern hinabtauchen in die Wasser der Seele.
Gut, wenn man da jemand die Hand geben kann ...
... gut, wenn man sich nicht scheut, Hilfe anzunehmen ...
... gut, wenn die eigenen inneren Kindern aus den Schutthalden hervorkommen und weinen und traurig und schmutzig sein dürfen ...
Gut, wenn sie irgendwann gebadet werden ...